Transgender Felicitas Becker im Interview

Ein Artikel von  Maria  maria-specht

Nachgefragt: Der Weg zum weiblichen Ich

Felicitas Becker gewann im Dezember 2018 unseren Outfit-Wettbewerb inklusive eines Interviews. Sie verzauberte uns direkt mit ihrer positiven Art. Ihre Lebensgeschichte als Transgender ist so besonders, dass wir nicht umhin konnten, sie noch einmal zu treffen und mit allerhand Fragen zu löchern.

Häufig wird im Zusammenhang mit Transgender davon gesprochen, im falschen Körper geboren zu sein. Was sagst Du dazu? Beschreibt das auch Dein Gefühl sehr gut? Wenn ja, gab es einen besonderen Aha-Moment oder war das ein lang dauernder Prozess?

Ich kenne diese Gefühle sehr gut. Allerdings finde ich, dass wir dadurch nicht unseren Körper hassen sollten. Ob es einen bestimmten Moment gab, wo ich gemerkt habe, dass ich mich eher als Frau fühle, das weiß ich nicht. Ich habe mich einfach schon immer weiblich gefühlt, nur der Spiegel hat mit etwas anderes gezeigt.

Viele Transgender lehnen ihren Körper ja gar nicht ab. Findest Du die Phrase "im falschen Körper geboren zu sein" auch eher unpassend? Wie würdest Du das Thema besser formulieren?

Definitiv! Meiner Meinung nach bietet der Prozess der Transition die Möglichkeit, seinen Körper dem seelischen Befinden anzugleichen. Durch die Hormonbehandlung fühlt man sich immer weiblicher und die geschlechtsangleichende OP sorgt dafür, dass Du auch körperlich zur Frau wirst.

Hast Du in Deinem Leben Erfahrungen damit gemacht, ausgegrenzt zu werden? Wie hat sich das auf Deine Persönlichkeit ausgewirkt? Hast Du "Überlebensstrategien" entwickelt?

Ich habe sehr viel Ausgrenzung erlebt, da ich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin. Nachdem ich abends von einer Gruppe junger Männer geschlagen und getreten worden bin, habe ich mich erstmal verschlossen und war regelrecht depressiv. Jedoch habe ich mit der Zeit gelernt, damit umzugehen und nicht alles zu sehr an mich ranzulassen. Ich habe mich dazu entschlossen, den Wohnort zu wechseln und zog zu meinem Partner, wo ich auch bis heute lebe und das Vergangene hinter mir lassen konnte. Bevor ich den ganzen Weg gestartet bin, wurde meine Mutter sehr krank und meine Schwester und ich wussten nicht, ob sie überleben würde. Diese Zeit war sehr schwer, aber sie hat mich stark gemacht und letztendlich darauf vorbereitet, womit ich nun tagtäglich zu kämpfen habe.

Du hast Dich bewusst dafür entschieden, als Frau zu leben. Gibt es Deiner Meinung nach, Perspektiven, die man als Frau anders sieht, als als Mann?

Ich finde die Gefühle sind intensiver. Ich war schon vor meiner Hormonbehandlung emotional, aber ich finde, alles ist intensiver geworden. Auch die Libido hat sich bei mir stark verändert, wo man vorher unkontrolliert war, hat man jetzt das Gefühl alles bewusster warzunehmen und intensiver zu spüren.

Wie findest Du Tage wie den CSD oder Serien wie "Transparent", die sich dem Thema Transgender widmen?

Für mich haben solche Medien unglaublich viel Bedeutung. Gerade wenn man am Anfang steht und noch nicht sicher ist, ob man diesen Weg gehen möchte, finde ich das sehr wichtig zur Aufklärung. Ich habe sehr aktiv den Weg von Gigi Gorgeous, einer Transgender-Influencerin, verfolgt. Je mehr ich von ihr verfolgt habe, umso mehr wusste ich, dass dieser Weg der Richtige für mich sein wird.

Hast Du Wünsche oder Hoffnungen in Deine Mitmenschen, damit die Welt ein klein wenig offener wird?

ich wünsche mir manchmal mehr Empathie von den Menschen. Wenn man sich mal in diese Situation versetzt fühlt, dass Du jahrelang gezwungen warst, ein Leben zu leben, was Du nicht wolltest, nur weil Du Angst hattest vor Ausgrenzung und Gewalt - Wie würde man sich fühlen? Leider neigt aber der Mensch dazu zu verurteilen, sei es das Gewicht oder das Aussehen!

Hat es Dir viel Mut abverlangt, zu Deinem Ich zu stehen? Woher hast Du ihn genommen?

Diese innere Stärke habe ich erst entwicklen müssen. Ich glaube aber, dass es mir viel geholfen hat, zu sehen, wie sich meine Mutter vom Leben im Rollstuhl zurückgekämpft hat und lernte, wieder zu laufen. Das mitzuerleben hat mir gezeigt, dass wir alle so viel stärker sind als wir denken und daran erinnere ich mich jedes Mal. Besonders die begleitende Gesprächstherapie hilft mir, mit Situationen besser umzugehen und straight meinen Weg zu verfolgen.

Willst Du heiraten und Kinder?

Ich möchte nach meiner Namensänderung meinen Partner heiraten. Zur Zeit möchte ich das einfach nicht solange ich laut den Behörden noch einen männlichen Vornamen habe. Kinder sind für mich kein Thema, da ich nie der Mensch dafür war und auch nur durch Adoption Kinder haben könnte und das möchte ich einfach nicht.

Bei wem war Dein Coming Out, jetzt als Frau leben zu wollen, am schwierigsten?

Tatsächlich bei meiner Mutter, da sie sich immer einen Jungen gewünscht hat. Ich glaube auch, dass sie im Inneren nie ganz loslassen kann von ihrem Sohn. Allerdings will sie auch ein glückliches Kind haben und deshalb nimmt sie mich so wie ich bin. Ich glaube aber, dass es irgendwo immer bleibt, dass sie einen Sohn hatte.

Bist Du sauer oder macht es Dich traurig, wenn Dich jemand bei Deinem Männernamen nennt?

Anfangs hat es mich immer sehr mitgenommen. Mittlerweile denke ich aber, die Menschen leben lieber in der Vergangenheit und können nicht in die Zukunft blicken. Leider sieht man nicht, wie viel glücklicher ich jetzt bin. Für mich ist das aber nur ein Zeichen von Schwäche, nicht gut mit Veränderungen klarzukommen.

Gibt es Tage, an denen Du als Mann unterwegs bist bzw. gibt es Tage, an denen Du es vielleicht auch vermisst, ein Mann zu sein?

Solche Momente gibt es bei mir nicht. Ich habe mich vor knapp 2 Jahren zu diesem Schritt entschlossen und ziehe das vollkommen durch. Ich finde es auch wichtig, sich dadurch bewusst zu machen, dass man auf Dauer im anderen Geschlecht leben will.

Felicitas bewegte uns mit ihrer Geschichte und mit ihrer unglaublichen Stärke, ihren ganz eigenen Weg zu gehen, egal wie viele Steine ihr in den Weg gelegt wurden. Wir danken ihr für das ehrliche und besonders offene Interview.